Die Auswirkungen der von Hokusai dargestellten Tätowierungen auf das Publikum waren enorm. Für zahlreiche Menschen, die in den Vergnügungsvierteln auf der Suche nach einer neuen Identität und neuen Werten umherirrten, waren sie die perfekte Synthese eines "neuen Helden" , mit dem sie sich identifizieren konnten: Nicht mehr der adelige Ritter, sondern ein Außenseiter, wie sie, kräftig, mutig, großzügig mit den Armen, aber auch Eitel und prahlerisch.

Die Otokade identifizierten sich völlig mit den kämpfenden Helden der Suikoden und übernahmen ihre Züge. Für sie besaß die Tätowierung eine doppelte Aufgabe: Sie stellte eine Irritation für die Gegner dar und war ein weiteres Element, das zu ihrer extravaganten Erscheinung beitrug. Die Tätowierung wurde somit zu einem Ausdrucksmittel der Gruppenzugehörigkeit, eine Art "Wappen" und "Unterscheidungsmerkmal" vom Rest der Gesellschaft.

Auch die im Sommer mit nacktem Oberkörper tätigen Arbeiter wollten an dieser exhibitionistischen Manie teilhaben: Sie tätowierten sich die Schultern, den Rücken und die Brust mit auffälligen Motiven und beanspruchten die gesellschaftliche Anerkennung als eigene Kaste, der sie sich stolz zugehörig fühlten. Die Tätowierung wurde zu einem Darstellungsmittel, um Prestige und Identität als Teil einer Gruppe und als Gruppe in der Gesellschaft zu erhalten.

Der Tätowierbrauch war somit eine Eigenschaft der unteren Schicht der Edo-Gesellschaft geworden, die aus Händlern, Handwerkern, Bauarbeitern, Dienern etc. bestand, sowie der Banditen und der "Ritter der Nacht". Für die Feuerwehrmänner hingegen waren die Tätowierungen nicht nur eine Dekoration, obwohl die Darstellung von Mut und Schönheit gut in ihr Heldenbild passten. Sie ließen sich üblicherweise Drachenmotive tätowieren, um einen doppelten Schutz zu erwirken: die Vertreibung der Gefahren durch das Feuer und des Schmerzes, dem sie sich aussetzten, und eine Opfergabe an die bösen Geister des Feuers, um ihre Gunst zu erwerben.

Die Drachentätowierung wurde zu einem Symbol für Männlichkeit und Mut und auch im Kabuki-Theater war das Kostüm mit dem Drachentattoo den stärksten oder mit übernatürlichen Kräften ausgestatteten Charakteren vorbehalten.

In der japanischen Kultur ist der Drache eine komplexe mythologische Gestalt, die sich in unterschiedlicher Form darstellt. Sie besitzt den Kopf des Kamels, das Geweih des jungen Hirsches, den schuppigen Körper des Karpfens, den Bauch der Schlange und vier Gliedmaßen mit den Krallen des Adlers...

An der Spitze der Tierhierarchie besitzt der Drache die Fähigkeit, sich zu verwandeln und nach Belieben zu erscheinen und zu verschwinden; im Frühling steigt er in den Himmel hinauf und im Herbst verbirgt er sich in den Tiefen des Wassers. Er bedeckt sich am Tag der Herbsttagundnachtgleiche mit Schlamm und kündet im Frühjahr die Rückkehr der Naturenergien an als Symbol der Wachstumskraft und Feuchtigkeit des Frühlings, wenn dank des Regens und der Gewitter die Natur einen neuen Kreislauf beginnt.

Der mit Regen, Wolken und Gewitter assoziierte Drachen wird als der wichtigste der im Himmel lebenden Drachen betrachtet. Er heißt Lung (im Frühling) oder Chiao (im Herbst, wenn er sich mit Schlamm bedeckt), besitzt einen üblen Charakter und überschwemmt durch kräftigen Regen und Gewitter jene mit Wasser, die ihn nicht respektieren. In dem japanischen Text "Nihongi" von 720 werden die beiden Gottheiten Izanagi und Izanami als Schöpfer Japans erwähnt: Sie schufen die Inseln, Berge, Flüsse, Gräser, Bäume und alle weiteren Götter (Kami), darunter auch die Sonnengöttin (Amaterasu-o-mikami).

Die Göttin Izunami starb bei der Geburt des Feuergottes Kagu-tsuchi-no kami. Verzweifelt und wütend zog daraufhin ihr Gatte sein Schwert und zerschnitt Kagu-tsuchi in drei Teile. Aus jedem der Teile entstand ein neuer Gott: Kura-okami-no-kami (Gott des Regens oder Schnees), Kura-yama-tsu-mi-no-kami (Gott der dunklen Berge) und Kura-mitsu-ha-no-kami (Gott des dunklen Wassers). Okami - Teil des Namens des ersten Gottes - bedeutet Regen und Drache, während der gesamte Name übersetzt Gott-Drache der Täler, der über das Wasser herrscht bedeutet. Auch die anderen beiden Götter ähneln in ihrem Aussehen einem Drachen oder einer Schlange.